Man spricht Deutsch

Vor etwa zwanzig Jahren beobachtete ich in einer Strandtaverne in Ierapetra (Kreta) mit wachsendem Unbehagen zwei ältere Deutsche, die gerne Spiegeleier haben wollten. Der Kellner streckte ihnen die Speisekarte hin, zeigte sie ihnen von allen Seiten, sie war laminiert und mit Bildchen und Beschreibungen der Gerichte in diversen Sprachen, doch die Herren wollten Spiegeleier, »Spie–gel–ei–er! Zwei!«, was sie immer deutlicher und lauter wiederholten, der Kellner zuckte hilflos mit den Schultern, schließlich zogen die Herren frustriert von dannen, dass jemand mit dem schönen deutschen Wort »Spiegelei« nichts anzufangen weiß, lag offenbar außerhalb ihres Vorstellungshorizonts.

Liebe (Mit-)Deutsche: Lautet denn bei uns das Sprichwort »When in Rome, keep doing as you do at home«? Wieso fehlt sovielen von uns, von Euch dieser gewisse Leisegang, der Respekt, die Rücksicht und Vorsicht, die andere mitbringen, wenn sie fern von zuhause sind – und das Bewusstsein, dass unsere Sprache für andere eine Fremdsprache ist und deren Kenntnis optional?

An die »Spie–gel–ei–er, zwei« werde ich seither immer wieder erinnert. Wie heute auf dem wunderbaren Antik- und Büchermarkt hier in Den Haag: Die lauteste Sprache, die man hört, ist Deutsch, und das wird dann mit einer Selbstverständlichkeit allen an den Kopf geworfen, Verkäufern wie anderen Gästen, als wäre Deutsch lingua franca, als gehöre einem der Ort – was ich hier angesichts der noch nicht so lang zurückliegenden Besetzung ganz besonders unangenehm finde. Wie mir der nette Herr, von dem ich in schüchternem und ziemlich wackligem Niederländisch eine schöne Delfter Kachel kaufte, erleichtert sagte, könne ich zumindest schon mehr Niederländisch als er zum Beispiel Deutsch; was viele deutsche Touristen allerdings nicht davon abhielt, ihn auf Deutsch zuzutexten, ohne schon nur auf die Idee zu kommen, vorher zu fragen. Ich finde sowas unverschämt. Und beschämend. – So.

(Bei den vielen Deutschen, die nicht so sind, möchte ich mich für die Verallgemeinerung entschuldigen. Aber raus musste das jetzt trotzdem.)

8 Comments

  1. Das ging mir bei meinem NL-Aufenthalt vor Kurzem genauso. Hab dann die Kinder darauf hingewiesen, dass man Deutsche daran von Niederländern unterscheiden kann, dass wenn jemand so leise und diskret spricht, dass man ihn nicht verstehen kann, es sich bestimmt nicht um einen Deutschen handelt :)
    Was das betrifft fand ich es nicht schön, in NL Deutscher zu sein, weil diese Beobachtung immer zutraf. Ich kann nur ganz wenige Wörter auf Niederländisch, deshalb habe ich immer ganz vorsichtig gefragt, ob man Englisch oder Deutsch spricht – in dieser Reihenfolge.
    Dein Erlebnis erinnert auch etwas an Gerhart Polt in “Mai Ling”, wenn er sie dazu bringen möchte, ihr die “Zündhölzel” zu bringen.
    (Oiso, wissens, i hab amoi an Scheefahund ghobt, der is au nur ungern ins Wossa neigsprunga, wemma eam a stöckerl nei gschmissn hat.”)

  2. Ich bin Amerikanerin, wohne jetzt in Deutschland, und würde gerne meine Erlebnis teilen. Als ich erst hier gekommen bin, vor zwei und halb Jahren, es gab Leute die gesagt haben, dass ich mein Deutsch verbessern musste. Na klar! Ich hatte nie bevor in meinem Leben Deutsch gesprochen, und eine fremde Sprache braucht Zeit zu lernen. Warum so kritisch sein, wenn ich schon eine gute Bemühung machte. Ein bisschen Geduld wäre in Ordnung!

  3. Nina: mir von der Leber geschrieben und dann noch in einem so perfekten Deutsch – das ist mir leider schon vor langem abhanden gekommen…

    Ich denke die selbstverstaendlichkeit der eigenen Kultur ist nicht nur unter Deutschen zu bemerken, sondern in (fast) allen Kulturen – Deine Spiegeleier haetten auch zwei Amerikanern passieren koennen – sunny side up!

    • Ja, Nina: Wahrscheinlich wird es einem dort am ehesten unangenehm bewusst, wo es die eigene Kultur betrifft oder eine, die einem nahe/bekannt ist. Stimmt, Amerikaner könnte ich mir da auch vorstellen. Dagegen treten Schweizer zum Beispiel eher selten in dieser Art unangenehm in Erscheinung, oder?

  4. Pingback: Zwei Spie-gel-ei-er, Bitte – sunny side up! | Attitude all Nina

  5. Yes. Als CH-Secondo schäme ich mich auch im gestandenen Alter immer noch, wenn Leute aus einem “grossen” Sprach- oder Kulturkreis sich benehmen wie Feldherren.
    Wobei: auch das Mobbing, das ich als Kind von anderen Kindern erfahren musste, weil meine Eltern “anders” sprachen, hat mich verletzt.
    Und: wenn ich auf mein bisheriges Leben zurück schaue, dann zählen die Momente, wo ich Menschen aus anderen Kulturen bewusst treffen durfte, zu den schönsten, zu den wertvollsten. Dann, wenn ich die Chance habe, meine Weltsicht relativieren und zu “reframen”.
    Nina, du hast recht. Wegen Spiegeleiern oder Fondue – da kann ich auch daheim bleiben.

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